Tote Zirkustiere werden obduziert – Vom Blitz erschlagen?
Vermutlich durch einen Blitzschlag sind in der Nacht zum Sonntag zahlreiche Zirkustiere des Familienzirkus Fischer bei Wald-Michelbach verendet. Für die Zirkusleute ein schwerer Schlag. Doch sie wollen auf jeden Fall weitermachen.
WALD-MICHELBACH.
Eigentlich ist der 1. September für Diana Fischer ein besonderer Tag, denn es ist ihr Geburtstag. Das wird eigentlich immer gefeiert. Doch diesmal sitzt Diana Fischer im leeren Zirkuszelt und kämpft mit den Tränen, als einige ihrer Geschwister ein leises „Happy Birthday“ anstimmen.

Diana Fischer hat unter anderem Pferdedressuren im Zirkus vorgeführt. Seit Sonntag geht das nur noch sehr begrenzt, denn die meisten Tiere, mit denen sie in der Manege gearbeitet hat, sind tot. Vom Blitz erschlagen.
Ihr Bruder Marlon Fischer hat die toten Tiere am Sonntagmorgen auf dem Grasgelände hinter den Zirkuswagen gefunden. Zehn Hunde und neun Pferde lagen tot in ihren Metallgehegen. Nur Hund Susi hat überlebt. Als einziger der dressierten Vierbeiner. Er durfte bei Leslie Fischer im Zirkuswagen schlafen, weil er sich mit den anderen Hunden nicht gut vertragen hat.
Zirkuschef August Domenikus Pius Bügler steht an Montagmorgen fassungslos vor den leeren Gehegen. Auch er kämpft mit den Tränen. „Wir stehen alle noch unter Schock“, sagt er mit stockender Stimme und beschreibt, was in der Nacht zum Sonntag passiert ist. Abends wurden die Tiere noch gefüttert. Kurz vor 3 Uhr in der Nacht schaute noch jemand aus der Familie nach ihnen. Da hätten sie noch gelebt. Von einem Gewitter habe er nachts nicht mitbekommen. . Als Marlon Fischer gegen 7.30 Uhr erneut nach den Tieren sehen wollte, waren sie tot. Äussere Verletzungen habe keines der Tiere gehabt. Die Polizei vermutet einen Blitzschlag, denn kurz nach drei Uhr sei ein heftiges Unwetter über den Odenwald hinweggezogen.
Ausbildung dauert sechs JahreDer Tod der Tiere trifft das kleine Zirkusunternehmen besonders hart, denn alle Tiere waren dressiert und fester Bestandteil des Programms. Bis zu sechs Jahre dauere es, bis man mit Tieren in der Manege auftreten könne, berichtet Bügler. Deshalb kann der Zirkus diese Lücke so schnell nicht füllen. Zumal das Geld fehlt, um Ersatz zu beschaffen. Eine Versicherung greife in solchen Fällen nicht.
Der Zirkus in der vierzehnten Generation will auf jeden Fall weitermachen. „Das ist unser Leben“, betont der Zirkuschef. Zumal rund 30 Menschen aus den Einnahmen der Vorstellungen ernährt werden müssen. Und Futter für die Tiere muss auch gekauft werden. Aufgeben geht nicht.„Das ist die Welt für uns“. Bügler, seine Lebensgefährtin und seine zwölf Kinder sowie die Enkel sind fast alle in das Programm eingebunden.
„Dass Zirkustiere durch Blitzschlag umkommen, habe ich noch nicht erlebt und auch noch nie gehört“, ringt Bügler um Fassung. Er wartet gespannt auf das Obduktionsergebnis durch das Veterinäramt. „Hoffentlich wurden die Tiere nicht vergiftet“, macht sich Bügler Mut. Denn ein Zirkus ist nicht überall beliebt. Deshalb seien auch Proben vom Trinkwasser der Tiere genommen worden. Sollten sie tatsächlich auf unnatürliche Weise umgekommen sein, könne nachts niemand mehr ruhig schlafen.
Nicht nur die Menschen sind schockiert, auch den Tieren ist anzumerken, dass sie unter den Vorgängen leiden. Die noch verbliebenen Pferde sind unruhig, ein kleines Shettland-Pony, das als Einziges auf der Wiede überlebt hat, steht apathisch in einer Ecke.
Nachdem sich die Nachricht vom Unglück des kleinen Familienzirkus am Sonntag wie ein Lauffeuer verbreitet hat, seien mehrere Vertreter anderer Zirkusunternehmen vorbeigekommen und hätten Hilfe angeboten. Vielleicht könne man die ein oder andere Tiernummer dort ausleihen, hofft Bügler. Aber eine Dauerlösung sei das nicht.
Große HilfsbereitschaftAm Montagmorgen kommen zahlreiche Kindergartenkinder mit ihren Erzieherinnen vorbei. Vor allem wegen der zweieinhalb Jahre alten Tigerin Zeila, die in ihrem Käfigwagen mit einem kleinen Hund kuschelt und anhaltend schnurrt, als ihr das Kinn gegrault wird. Sie hat von dem Unglück nichts mitbekommen.
Während des Montags kommen immer wieder wildfremde Menschen vorbei, die von dem Schicksal der Zirkusfamilie gehört haben und stecken den Familienmitgliedern Geldscheine zu. Ein älterer Mann ist bereits in aller Frühe da und sagt: „Da muss man doch helfen.“ Kurze Zeit später kommen zwei ältere Damen, die Leslie Fischer Geldscheine übergeben.
Auch Vizelandrat Mathias Schimpf und ein Vertreter des Veterinäramtes kommen am Montag noch einmal vorbei. Wie Schimpf dem ECHO sagte, spreche die Auffindesituation eher für einen Tod durch Blitzschlag als für eine Vergiftung. Bei manchen Tieren habe man gesehen, dass sie mitten in der Bewegung gestorben seien. Die Tiere wurden am Montag auf Verbrennungsspuren durchsucht. Falls die Todesursache dann noch immer unklar sei, müssten sie obduziert werden.
Eigentlich wollte der kleine Familienzirkus am Dienstag dieser Woche weiterziehen. Nun hat man sich kurzfristig entschlossen, noch eine Woche zu bleiben. „Natürlich finden unsere Vorführungen wie geplant statt“, versichert der Zirkusdirektor und hofft auf ein möglichst volles Zirkuszelt.
„Die Show muss weitergehen“ ist die Maxime der Zirkusleute. Und sei der Schicksalsschlag noch so hart.
Da sich Fernsehteams und Fotografen an diesem Montag im Halbstundentakt abwechseln, um über die toten Tiere und den Zirkus zu berichten, nutzt Bügler die Gelegenheit für eine Botschaft an die Kommunen.
Kleinzirkus oft unerwünschtFrüher habe jede kleine Gemeinde einen Festplatz gehabt und sei stolz gewesen, wenn ein Zirkus in ihrem Ort Station gemacht habe. Heute seien diese Festplätze kaum noch vorhanden, Zirkusunternehmen meist nicht mehr erwünscht. Dabei biete der Zirkus gerade Kindern Abwechslung. Die Kleinen kämen dann mal weg von Handy, Computer und Fernseher.
Und wenn die Bedingungen etwas besser wären, müssten die rund 400 kleinen Zirkusunternehmen, die in Deutschland derzeit unterwegs seien, nicht ständig ums Überleben kämpfen. „Es wäre schön, wenn die kleinen Zirkusunternehmen eine Zukunft hätten“, sagt Bügler zum Abschied.